WOYZECK
Georg Büchner
Es ist der große Vorzug der Inszenierung von Malte Kreutzfeldt, dass sie aus dem süffigen Honky-Tonk-Jahrmarkts-Woyzeck von Wilson und Waits den Darmstädter Hausherren Büchner gleichsam herauspräpariert. Dessen 1836 geschriebener, aber erst 1913 uraufgeführter "Woyzeck" ist noch völlig frei von Sozialkitsch, während zwei Jahrhunderte später auch das Zeigen der sozialen Misere sich zu wiedererkennbaren Mustern verfestigt hat, widerstandslos konsumierbar wie die schön dahingeknödelten Jammersongs von Waits und Kathleen Brennan. Doch hört man die Stimme des Südhessen Büchner, auch in der stellenweise dialektal gefärbten Aussprache der Schauspieler, ein wenig akzentuierter als die seiner amerikanischen Bearbeiter.
Natürlich ändert das nichts daran, dass man dem übertreibenden Sozialschauermärchenspiel von Uwe Zerwer als Doktor oder Hubert Schlemmer als Hauptmann mit dem größtem Vergnügen zusieht, dass man sich auch an den traurigen Duetten von Marie und Woyzeck das Herz wärmt und sich an den schrägen Walzerrhythmen der siebenköpfigen Combo im Orchestergraben labt, während auf der Bühne die traurige Kreatur Woyzeck keuchend ihre Kreise zieht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung :: Matthias Bischoff
Mit lang anhaltendem Applaus feierte Robert Wilsons neu interpretierte Theaterfassung von Georg Büchners Sozialdrama "Woyzeck" Premiere im Staatstheater Darmstadt - pünktlich zum 175. Todestag des Dichters im Februar. "Ein guter Mord, ein echter Mord, ein schöner Mord", heißt es in der Schlussszene. Doch war es wirklich Mord, oder vielmehr Totschlag, Kalkül oder Affekt? Bis zuletzt war das Publikum gebannt.
In der Inszenierung von Malte Kreutzfeldt machen Wilsons Konzept des Stoffs, die Musik von Tom Waits sowie die Texte Kathleen Brennans aus dem büchner'schen Fragment von 1837 ein rockig-melancholisches Musical unserer Zeit. Sie bringen Lieder ein, die Büchners Sprache nicht nur ergänzen, sondern monologisch die Gefühlswelt der Figuren ausdrücken. Woyzecks psychischer Zustand wird dadurch umso deutlicher: Gefangen wie in einem ausweglosen Käfig, als Kuriosität gemustert, verliert er in seiner Verzweiflung jeglichen Bezug zur Realität. Das Unglück des Erniedrigten wird lediglich zur bizarren Unterhaltung der Dorfbewohner, der Mord "so schön als man ihn nur verlangen kann, wir haben schon lange so kein gehabt."
Giessener Allgemeine :: Helene Tangel
mit Simon Köslich, Maika Troscheit, Uwe Zerwer, Hubert Schlemmer, Andreas Manz, István Vincze, Aart Veder, Matthias Kleinert, Sonja Mustoff, Margit Schulte-Tigges
Musikalische Leitung Michael Erhard | Ausstattung Nikolaus Porz | Dramaturgie Rainar Ortmann | Photos Barbara Aumüller