MARIA STUART
Friedrich Schiller
Funken eines Schneidbrenners fliegen, schwermetallischer Rock grollt durch die Dunkelheit - Schillers Trauerspiel "Maria Stuart" hebt lärmend an und offenbart sich dann als hochkonzentrierter Politthriller im leeren Raum. So dicht und spannend hat man diesen Klassiker selten gesehen.
Regisseur Malte Kreutzfeldt, der vor einem Jahr schon mit seinem herausragenden "Hauptmann von Köpenick" auf sich aufmerksam machte, gelingt eine scharf umrissene Studie des Machtspiels vor schwarzem Hintergrund. Es ist ein zeitloser Zugriff auf den historischen Komplex des Jahres 1587. Viele Inszenierungen dieses Stücks legen den Konflikt ganz auf die Schultern von Maria und Elisabeth. Bei solch einem Schaulaufen der Königinnen erscheint das Trauerspiel oft statisch. In Darmstadt aber wird es dynamisch, weil die Regie im kräftig zusammengestutzten Szenario mindestens gleichwertig auf das Dreieck der politischen Intrige setzt: auf den Idealisten Mortimer, der sich als Marias romantischer Retter versucht, den Opportunisten Leicester, der als höfischer Günstling beide Königinnen umgarnt, und auf den Scharfmacher Lord Burleigh, der zur Staatsräson Marias Kopf fordert.
Malte Kreutzfeldt platziert diese präzisen Psychogramme prägnant in der schwarzen Tiefe des Raumes. In dieser Black Box setzt die Regie wenige, aber stets markante Zeichen: ein roter Läufer, wenn Elisabeth auftritt, eine gekippte Rampe, wenn die Königinnen sich begegnen, Maria erst ganz oben, dann unten ist. Die Hinrichtung wird schließlich zum Blutbad. Die stolze Schottin steht ganz in Weiß im roten Regen: ein Schlussbild von grausiger Poesie.
Darmstädter Echo
Das ist in gewisser Hinsicht eine "Maria Stuart" für Erwachsene. Vielleicht kann nur der, der eine Vorstellung davon hat, wie Menschen in Machtkonstellationen handeln und nicht handeln, ganz ermessen, wie Friedrich Schiller bei allem Idealismus den Nagel auf den Kopf traf. Denn auch der Hof Elisabeths I. ist am Ende nichts anderes als ein Arbeitsplatz, an dem es besonders rund geht.
In einer stillen Szene versammeln sich Elisabeths Angestellte, eilig und vorsichtig zugleich. Ohne ihre Chefin haben sie sich nichts zu sagen. Abhängig von ihr sind sie alle, herrlich klar wird in den gestochen scharfen Dialogen, wie sie sie zugleich zu benutzen versuchen. Ja, Elisabeth ist überfordert, nein, sie bewältigt die Situation nicht souverän.
Iris Melamed zeigt als Maria die einfacher strukturierte Figur, nobel aber darf auch sie nicht sein. Ihre "Rache" - die schön ausgespielte Szene, in der sie Elisabeth vor den Augen des Favoriten ihre uneheliche Geburt vorwirft - ist jämmerlich, aber lebensnah. Dass Schiller letztlich einen Zickenkrieg unter Kolleginnen inszeniert, macht Kreutzfeldt nicht bis zur boulevardesken Lächerlichkeit mit, aber er leugnet es nicht.
Es ist der schwarze, dunstige Bühnenraum selbst, der das ins Kippen bringt (da ist mehr Shakespeare als Schiller im Spiel: die Erde, die sich auflehnt gegen die widernatürliche Schlechtigkeit). Der Boden wird dann zur Steilwand, auf der die Herren ausgleiten und die Damen nur mit uneitel gerafften Röcken vorwärts kommen. Der Blutregen, dem Iris Melameds Maria Stuart am Ende ausgesetzt ist, wird nur noch übertroffen durch das verlegene Gesicht von Maika Troscheits König Elisabeth.
Ihr gehört die letzte Sekunde des Abends.
Frankfurter Rundschau
Bilder
mit Maika Troscheit (Elisabeth), Iris Melamed (Maria Stuart), Andreas Vögler (Leicester), Heinz Kloss (Talbot), Uwe Zerwer (Burleigh), Klaus Ziemann (Davison), Aart Veder (Paulet), István Vincze (Mortimer), Andreas Manz (Aubespine)
Ausstattung Nikolaus Porz | Dramaturgie Christian Mayer | Photos Barbara Aumüller